Innovationen in die Praxis bringen

Auf dem Deutschen Pflegetag 2019 vom 14. – 16. März in der STATION Berlin präsentierte das vom BMBF geförderte Cluster „Zukunft der Pflege“, wie innovative Technologien in der praktischen Pflege Anwendung finden und Pflegenden und Pflegebedürftigen den Alltag erleichtern können.

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© OFFIS/Sebastian Weiss

Auf dem Deutschen Pflegetag 2019 vom 14. – 16. März in der STATION Berlin präsentierte das vom BMBF geförderte Cluster „Zukunft der Pflege“, wie innovative Technologien in der praktischen Pflege Anwendung finden und Pflegenden und Pflegebedürftigen den Alltag erleichtern können.

Der Deutsche Pflegetag ist Deutschlands führender Pflegekongress und die zentrale Branchenveranstaltung für die Pflege in Deutschland. Auch in diesem Jahr bot er den fast 10.000 Besucherinnen und Besuchern mit einem hochkarätigen Themen-Set, spannenden Workshops und Diskussionen eine wichtige Informations- und Dialogplattform zu den neuesten Themen und Trends in der Pflege. Diesjähriges Motto: „Gepflegt in die Zukunft – JETZT“.

Sowohl das Kongressprogramm mit Sessions zu „Smarter Pflege“ oder der „Digitalisierung in der Altenpflege“ als auch die Gespräche mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern reflektierten deutlich, dass technische Anwendungen in der Pflege inzwischen immer mehr angenommen werden.

Das BMBF lud Besucherinnen und Besucher am Stand D002 dazu ein, in interaktiven Live-Sessions die Forschungsaktivitäten im Bereich der Pflegetechnologien näher kennenzulernen und sich mit den Mitwirkenden im BMBF-Cluster „Zukunft der Pflege“ über neue technische Entwicklungen sowie Wege, diese Pflegetechnologien in die Praxis zu bringen, auszutauschen.

Innovative Pflegetechnologien mit Alltagsbezug

Das Cluster „Zukunft der Pflege“ startete 2017 mit dem Pflegeinnovationszentrum (PIZ) in Oldenburg, an dem Ingenieurinnen und Ingenieure gemeinsam mit Pflegewissenschaftlerinnen und Pflegewissenschaftlern neue Technologien erforschen. 2018 kamen vier Pflegepraxiszentren (PPZ) in Berlin, Freiburg, Hannover und Nürnberg hinzu, in denen neue Pflegetechnologien im pflegerischen Alltag erprobt werden. Der Grundsatz: Der Einsatz neuer Technologien in der Pflegepraxis kann nur gemeinsam mit Betroffenen und den Pflegenden in den Pflegediensten, den Pflegeeinrichtungen und Kliniken erfolgreich erprobt und eingeführt werden. Nur wenn Pflegetechnologien im alltäglichen Umgang als sicher, zuverlässig und vertrauenswürdig eingestuft werden, kann auch die Akzeptanz für deren Einsatz in der Pflege erreicht werden. Deshalb werden im Cluster „Zukunft der Pflege“ soziale und technische Innovationen in der Pflege zusammengebracht: Forschung, Wirtschaft und Pflegepraxis arbeiten gemeinsam mit Anwendern an neuen Produkten, die den Pflegealltag in Deutschland erleichtern und verbessern sollen.

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„Technische Anwendungen in der Pflege müssen auch in ethischer Hinsicht geeignet sein“: Iris Meyenburg-Altwarg vom PPZ Hannover im Dialog mit Engelbert Beyer, Unterabteilungsleiter im BMBF© OFFIS/Sebastian Weiss

Intelligente Systeme für die Pflege von morgen

Zum Deutschen Pflegetag präsentierte das Cluster aktuelle Innovationen und Forschungsergebnisse. Via Virtual-Reality-Brille konnten Besucherinnen und Besucher mittels 360°-Telepräsenz-Verbindung eine virtuelle Reise ins Pflegelabor am PIZ in Oldenburg unternehmen. In einem realistischen Wohnambiente integriert dort das Labor eine Vielzahl von Systemen für die assistierte Pflege. In verschiedenen Räumen wie Schlafzimmer, Wohnzimmer, Bad oder Küche ist zur Erprobung die gesamte Ausstattung nutzbar. Die Räumlichkeiten können bewohnt werden.

Weitere unterstützende Systeme für die Betreuung und Pflege in der Häuslichkeit zeigte das PPZ Berlin. Die hier erprobten Lösungen bieten verschiedene Assistenzfunktionen und werden u. a. zur Identifikation von Inkontinenz und zur Reduktion eines Dekubitus-Risikos sowie zur Sturzerkennung und deren Prävention eingesetzt. Über smarte Wearables können in der Pflegepraxis Vitaldaten gesammelt werden, die dem ambulanten Dienst oder dem Hausarzt zur Verfügung gestellt werden können.

Das Exponat des PPZ Nürnberg zeigte die Anwendung von Sensorpflastern zur Sturzerkennung und Dekubitusprävention sowie Applikationen für Smartphones und Tablets, z. B. zur Unterstützung der mehrsprachigen Kommunikation für Patientinnen und Patienten mit Migrationshintergrund im Klinikalltag sowie zur Verbesserung der Kommunikation zwischen Angehörigen und Pflegekräften in Pflegeheimen.

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Besuchergruppen am BMBF-Stand „Zukunft der Pflege“ . © OFFIS/Sebastian Weiss

Innovative Bettsysteme werden jeweils am PPZ in Freiburg und Hannover erprobt. Über den so genannten Mobility Monitor (MoMo) der Fa. Compliant Concept zeichnen die Forschenden in Freiburg über Bettsensorik Bewegungen des Patienten im Bett auf. Das System warnt das Pflegepersonal, wenn eine bestimmte Zeit ohne druckentlastende Positionsänderung des Patienten überschritten ist und optional, wenn er aus dem Bett aufzustehen versucht. Das in Hannover am PPZ erprobte Bettsystem INSYDE ist ein intelligentes Pflegesystem für die Prävention und Behandlung von Dekubitus. Anhand einer intelligenten, adaptiven Matratze kann das System genaue Informationen über die Liegeposition der Patienten abrufen und der Pflegefachkraft aufgrund der Sensordaten proaktiv neue Liegepositionen empfehlen. Die Veränderung der Drucksituation erfolgt mittels Aktoren.

Von der Forschung in die Praxis

Interessierte Besucherinnen und Besucher konnten sich am BMBF-Stand in Live-Sessions zu wechselnden Themen ein Bild davon machen, wie der Einsatz neuer Technik den Alltag für Fachkräfte, Angehörige und Pflegebedürftige verbessern kann und dem Pflegenotstand mit innovativen Ansätzen entgegengewirkt werden kann.

In den letzten Jahren wurden viele innovative technologische Entwicklungen im Pflegekontext vorangetrieben. Im nächsten Schritt gilt es jetzt, diese Innovationen in die Breite zu tragen und für Betroffene und Pflegende verfügbar zu machen. Wie geht es in Zukunft weiter? Was sind die nächsten Schritte, um technische Innovationen flächendeckend in die Pflegepraxis zu bringen? Anlässlich des Deutschen Pflegetags sprachen wir mit den Mitwirkenden in den Pflegepraxiszentren und dem PIZ.

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Marlene Klemm, Leitung Pflegepraxiszentrum Nürnberg © NürnbergStift

„Damit neue Technik in den Realbetrieb eingeführt werden kann, ist eine gut funktionierende IT-Infrastruktur Voraussetzung. Idealerweise sollten diese über Schnittstellen zur elektronischen Pflegedokumentation oder zum Krankenhausinformationssystem verfügen. Stattdessen sehen wir bei innovativen Produktentwicklungen noch überwiegend Insellösungen. Dies hemmt die Investitionsbereitschaft. Gerade die Schnittstelle zwischen den Krankenhäusern und den Pflegeheimen sowie den ambulanten Diensten sollte noch viel stärker ins Zentrum der Diskussion gestellt werden. Hier könnten digitale Lösungen Arbeitsabläufe effizient unterstützen. Zusätzlich gilt es, noch stärker ethische, rechtliche, ökonomische und pflegepraktische Aspekte bei der Technisierung genauer zu beleuchten.“

 

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Reza Mazhari, Wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Pflegepraxiszentrum Hannover (PPZ) © Medizinische Hochschule Hannover

„Das unzureichende Wissen und die mangelnde Akzeptanz bei vielen nicht-professionellen, aber auch bei professionellen Akteuren stellen noch Hindernisse bei der Verbreitung und Nutzung von technischen Innovationen in der Pflege dar. Ein wichtiges Handlungsfeld ist daher, die Akzeptanz seitens der Endnutzer, also Menschen die in der Pflegepraxis tätig sind, zu fördern. Wichtig ist auch, Defizite bei der Digitalisierung in der Pflege im Bereich der beruflichen Aus-, Fort- und Weiterbildung zu beheben. Es wäre etwa sinnvoll, bundeseinheitlich anwendbare Maßgaben für Rahmenlehrpläne zu Informations- und Kommunikationstechnik in der Pflege zu erstellen, auf deren Grundlage Lehrangebote entwickelt und implementiert werden können. Neben der Ausbildung ist die Einbindung der technischen Inhalte in Fort- und Weiterbildung ebenso wichtig, da viele Pflegefachpersonen in der Praxis arbeiten, ohne ausreichend Kompetenzen in der IKT zu besitzen.“

 

 

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Tobias Kley, Verbundkoordinator Pflegepraxiszentrum Berlin © Evangelisches Johannesstift Altenhilfe gGmbH

„Es gibt eine große Offenheit seitens der Pflegeanbieter und Praktiker gegenüber technischer Unterstützung. Knackpunkte sind durchgängig die Finanzierung, die Schulung der Betroffenen und der Beratungsbedarf bei der Umstellung von bisherigen Prozessen auf neue Abläufe mit digitaler Unterstützung. Damit technische Innovationen auch flächendeckend in der Pflegepraxis ankommen müssen deshalb durch die PPZ Lösungen ihre Praxistauglichkeit und Implementierfähigkeit bewiesen und damit einhergehend auch die monetären Effekte und Prozessgewinne deutlich gemacht werden. Damit ist dann die Grundlage für passende Geschäftsmodelle geschaffen. Über die Konzertierte Aktion Pflege und andere aktuelle Diskussionen müssen für die Skalierung seitens der Politik die Grundlagen geschaffen werden.“

 

 

 

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Sven Ziegler, Projektkoordinator Pflegepraxiszentrum Freiburg (PPZ)© UNIVERSITÄTSKLINIKUM FREIBURG

„Personen aus der Pflegepraxis stehen technischen Innovationen sehr offen gegenüber, wenn sie für sich selbst und/oder die gepflegten Personen einen Nutzen der Technik erkennen und sie mit ihrer Expertise in Implementierungsprozesse eingebunden werden. Wesentlich ist deshalb eine an den Bedarfen in der Praxis und den Erkenntnissen der PPZ orientierte Strategie zur Implementierung der „tatsächlich“ hilfreichen technischen Innovationen. Dabei sollten alle beteiligten Akteure frühzeitig in den Prozess eingebunden werden und die institutionellen Besonderheiten berücksichtigt werden.“

 

 

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Tobias Krahn, Projektkoordinator Pflegeinnovationszentrum (PIZ) © OFFIS

„Insbesondere jüngere Auszubildende scheinen technischen Innovationen besonders positiv gegenüber zu stehen und können sich durchaus vorstellen, bei ihrer Arbeit z. B. durch einen Roboter unterstützt zu werden.“

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